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Buchtipp: Otto Bauer und der Austromarxismus

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Das Buch bietet eine Mischung aus historischen Analysen und Beiträgen, die Perspektiven linker Politik aufzeigen wollen. Wobei es das Anliegen der HerausgeberInnen ist, „die Abkanzelung des Austromarxismus als Tarnung opportunistischer Politik mittels radikaler Rheotrik durch eine differenziertere Sicht zu ersetzen. Seine Limits werden mit den Grenzen der fordistischen ArbeiterInnenbewegung des vorigen Jahrhunderts in Beziehung gesetzt. Es ist diese Perspektive, aus der sich das Verhältnis von Reform und Revolution für heutige Verhältnisse neu bestimmen ließe.“
Bemerkenswert für ein Werk, das aus dem Umfeld der kommunistischen Tradition kommt, die ersteres stets verfochten hat. In den Beiträgen, die das angesprochene Ziel leisten sollen, wurde dabei hauptsächlich auf bekannte linkssozialdemokratische Ansätze und AutorInnen zurückgegriffen. So Fritz/Derek Weber, der schreibt: „Bauer war – auch wenn er in seiner politischen Taktik und Strategie letzten Endes zu den sozialdemokratischen Reformpolitikern gezählt werden muss – ein Wortführer des westlichen Marxismus, der die Errungenschaften der bürgerlichen Revolutionen des 18. und 19. Jahrhunderts bewahren und in der sozialistischen Revolution gleichsam aufheben, nicht durch sie abschaffen wollte. Gleichzeitig war er sich darüber im Klaren, dass die ökonomischen Verhältnisse in einem entwickelten Land viel komplizierter waren als im rückständigen Russland.“
Hierbei war es interessant, Giacomo Marramaos Interpretation auf Deutsch (ich hatte ihn bisher mangels Italienischkenntnissen nicht berücksichtigt) zu lesen – auch wenn sein Text, wie am Bezug zur Sekundärliteratur erkennbar, aus den 1970er Jahren stammt.

Die große Stärke des Buchs ist sein Augenmerk auf Aspekte, die in der breiten Austromarxismus-Rezeption der 1960er bis 1980er Jahre unbeleuchtet geblieben sind, wie vor allem die Frauen- und Genderfrage. Ich habe einiges von und über AustromarxistInnen gelesen, aber die v.a. Artikel von Karin Schneider über „frauen- und genderpolitischen Positionen im Austromarxismus“ und von Eveline List über Margarethe Hilferding brachten mir einiges an Neuem und bieten einen wesentlichen Beitrag zur historischen Analyse und Bewertung der österreichische Sozialdemokratie bis 1934.
Der weiters im Band enthaltene Überblick über Arbeiten der jüngeren Vergangenheit (etwa Tommaso La Rocca über Religion, Manfred Bauer über Friedrich Adler) machen das Buch zu einem aktuellen Referenzwerk.

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Walter Baier / Lisbeth N. Trallori / Derek Weber (Hg.)
Otto Bauer und der Austromarxismus
„Integraler Sozialismus“ und die heutige Linke
(Rosa-Luxemburg-Stiftung Schriften 16)
Berlin 2008 (Karl Dietz Verlag)
301 S.

Written by austromarxismus

Dezember 12, 2009 at 9:43 pm